25 Jahre Biodiversitätskonvention (Rio 1992)

Anspruch und Wirklichkeit bei der Umsetzung des weltweiten Abkommens zum Schutz der Artenvielfalt

In der öffentlichen Diskussion wird derzeit viel über das Kyoto-Protokoll und die Ziele des Klimaschutzes diskutiert. Darüber wird häufig vergessen, dass es noch andere internationale Übereinkommen gibt, z.B. zur Erhaltung Biodiversität, ebenfalls eines der Kernthemen grüner Politik.

Der Rückgang der Artenvielfalt und die Schädigung von Ökosystemen ist kein neues Phänomen und nicht auf Deutschland beschränkt. Bereits vor 25 Jahren wurde aufgrund des weltweit zu beobachtenden, alarmierenden Rückgangs der Artenvielfalt und der Schädigung von Ökosystemen das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (CBD) erarbeitet und auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro beschlossen.

Die CBD ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen souveränen Staaten. Inzwischen ist das Übereinkommen von 193 Vertragsparteien unterzeichnet und auch ratifiziert worden (Stand: August 2012). Die Mitgliedsstaaten haben sich das Ziel gesetzt, die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu schützen, zu erhalten und deren nachhaltige Nutzung so zu organisieren, dass möglichst viele Menschen heute und auch in Zukunft davon leben können. (https://www.bfn.de/0304_cbd.html).

Seit Rio trifft sich die Vertragsstaatenkonferenz (COP –Conference of Parties) regelmäßig im Abstand von 2 Jahren. Die mittlerweile 13. Vertragsstaatenkonferenz (COP 13) des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt  fand vom 4. bis 17. Dezember 2016 in Cancun in Mexico statt.

Wer sich die Entwicklung der Roten Listen der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in Deutschland oder den einzelnen Bundesländern anschaut, wird sich der Frage nach dem Erfolg dieser Konferenzen kaum erwehren können. Seit 25 Jahren gibt es völkerrechtliche Vereinbarungen, die Artenvielfalt zu erhalten, aber dies scheint zumindest die gefährdeten Arten nicht zu beeindrucken, sie verschwinden weiter ungebremst aus der Landschaft. Allerdings tun sie dies nicht aktiv oder freiwillig, wie es die euphemistische Formulierung „die Arten sterben aus“ vermuten lässt, sondern sie werden schlichtweg ausgerottet. Teils werden sie durch menschliches Handeln direkt getötet oder ihre Lebensräume werden zerstört oder so verändert, dass sie dort nicht mehr leben können.

Doch zurück zur Historie. 2002 wurde auf der 6. Konferenz der sogenannte „Strategische Plan“ beschlossen, der das ambitionierte Ziel hatte, den Rückgang der Artenvielfalt bis 2010 global, national und regional zu stoppen oder zumindest stark zu begrenzen („to achieve by 2010 a significant reduction of the current rate of biodiversity loss at the global, regional and national level“[1]).

Diese Ziel wurde weit verfehlt. Auf der Vertragsstaatenkonferenz in Nagoya wurde daher kurzerhand der Zeitraum zur Erreichung des Zieles, den Artenrückgang zu stoppen, auf den Zeitraum 2011 bis 2020 verlängert. Es wurden 20 konkrete Ziele vereinbart, die sogenannten Aichi-Ziele, die auf der Homepage des BfN [2] abgerufen werden können. Diese auch von der Bundesregierung mitgezeichneten Ziele sind ambitioniert und begrüßenswert. Leider ist von ihrer Einbeziehung in die nationale Politik zumindest für „normale“ Bürgerinnen und Bürger nichts zu erkennen.

Für einige besonders wichtige Ziele soll werden im Folgenden betrachtet werden, welche Aussicht auf Erreichung bis 2020 besteht. 

Dabei ist zu beachten, dass diese Ziele nicht dem Wunschzettel von Naturschutzverbänden entstammen, sondern von fast 200 Staaten gemeinsam beschlossen sind. Ohne ihre Umsetzung wird es nicht gelingen, den weltweiten Artenrückgang zu stoppen. Deutschland, mit seiner Eigenwahrnehmung als ökologische Vorzeigenation sollte als eines der reichsten Länder weltweit hier beispielhaft vorangehen.

Kernziel 2: Bis spätestens 2020 ist der Wert der biologischen Vielfalt in den nationalen und lokalen Entwicklungs- und Armutsbekämpfungsstrategien und Planungsprozessen berücksichtigt worden und wird soweit angemessen in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und die Berichtssysteme einbezogen.

Hiervon ist in der Öffentlichkeit bisher kaum etwas zu erkennen, auch wenn bereits umfangreiche Hintergrundpapiere vorliegen (z.B. Bundestagsdrucksache 18/3764 zur „Inwertsetzung von Biodiversität[3]). Bei den üblichen volkswirtschaftlichen Bilanzierungen in Deutschland, z.B. bei der Ermittlung des Bruttosozialproduktes wird weder ein Wert der Artenvielfalt ermittelt, noch werden Kosten des Rückgang der Artenvielfalt berücksichtigt. Es gibt einige Ansätze, wie TEEB [4], aber diese Studie bearbeitet den groben Rahmen und wird noch nicht im hinreichenden Maße im  Rahmen gesamtwirtschaftlicher Bilanzierungen und bundesweiter Planungen berücksichtigt. Hier besteht noch erheblicher Handlungsbedarf.

Ein konkretes Beispiel aus dem kleinen Schleswig Holstein sind die Kosten der subventionieren Moornutzung. Hier werden jährlich aus ca. 107.000 ha entwässerter und landwirtschaftlich genutzter Moorböden 2,3 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Das sind ca. 9,3% der landesweiten CO2 – Emissionen [5]. Hierdurch entstehen jährlich gesellschaftliche Folgekosten durch Freisetzung von  Treibhausgasen zwischen 100 bis 250 Millionen Euro [6].

Die nutzungsbedingte Sackung der Torfe hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass inzwischen weite Teile der Moorniederungen unter dem Meeresspiegel liegen und immer noch weiter sacken; gleichzeitig steigt der Meeresspiegel an. Die jährlich weiter steigenden Kosten für die Entwässerung der Flächen sind in den obigen Zahlen noch nicht berücksichtigt.

Die mit der Entwässerung verbundene Nutzungsintensivierung hat für einige Jahrzehnte zu Einkommenssteigerungen der dort lebenden Landwirte geführt, jedoch auch ein ehemals europaweit bedeutendes Gebiet für die Erhaltung der Artenvielfalt ruiniert. Diese aus Sicht auch unter Gesichtspunkten des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit negative Entwicklung wird jährlich mit ca. 32 Millionen Euro Agrarsubventionen  gefördert, obwohl längst offenkundig ist, dass eine agrarische Moornutzung nicht nachhaltig möglich ist.

Ein weiteres Beispiel sind die Kosten, die von den Wasserversorgern aufgewendet werden müssen, um Nitrate aus dem Trinkwasser zu entfernen. Diese Kosten betragen in belasteten Gebieten Deutschlands zwischen 40 ct und 1 € je m³ Trinkwasser [7][8] für die dort wohnenden BürgerInnen.

Kernziel 3: Bis spätestens 2020 werden der biologischen Vielfalt abträgliche Anreize einschließlich Subventionen beseitigt, schrittweise abgebaut oder umgestaltet, um die negativen Auswirkungen auf ein Minimum zu reduzieren oder zu vermeiden, und sind positive Anreize zur Förderung der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt in Übereinstimmung und im Einklang mit dem Übereinkommen und anderen einschlägigen internationalen Verpflichtungen und unter Berücksichtigung der nationalen sozioökonomischen Bedingungen geschaffen und zur Anwendung gebracht.

Nach aktuellen Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes werden in Deutschland jährlich ca. 57 Mrd. Euro an umweltschädlichen Subventionen gezahlt.[9]. Fast alle dieser Subventionen haben auch negative Auswirkungen auf die Biodiversität. Der Anteil umweltschädlicher Subventionen am Gesamthaushalt beträgt ca. 17%. Zum Vergleich hat sich Deutschland verpflichtet im Rahmen der Entwicklungshilfe jährlich 500 Millionen Euro für Projekte zur Erhaltung der Biodiversität bereitzustellen. Das sind weniger als 1% der von derselben Regierung zu verantwortenden umweltschädlichen Subventionen allein in Deutschland.

Wenn selbst eine große Koalition nicht in der Lage ist, international beschlossene Ziele auch nur ansatzweise umzusetzen, da wirtschaftliche Interessen stärker als Argumente der Vernunft wiegen, besteht wenig Hoffnung, hier konkretes Handeln zu erwarten.

Kernziel 6: Bis 2020 sind alle Fisch- und Wirbellosenbestände und Wasserpflanzen nachhaltig, ordnungsgemäß und auf der Grundlage ökosystemarer Ansätze bewirtschaftet und genutzt, sodass eine Überfischung vermieden wird, und sind für alle dezimierten Arten Erholungspläne und ‑maßnahmen vorhanden, keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf bedrohte Arten und empfindliche Ökosysteme durch die Fischerei gegeben und die Auswirkungen der Fischerei auf Bestände, Arten und Ökosysteme auf ein ökologisch vertretbares Maß beschränkt.

Die regelmäßig stattfindenden Konsultationen innerhalb der EU zur Festsetzung der Fischereiquoten in europäischen Gewässern, bei denen regelmäßig Fangquoten weit über den Empfehlungen der Wissenschaft festgesetzt werden[10], sind ein Indiz, dass keinerlei Interesse an der Umsetzung dieses Kernziels besteht. Mit einem Bruchteil der umweltschädlichen Subventionen könnten Fischerinnen und Fischer dafür entschädigt werden, dass für einen kurzen Zeitraum die Fanquoten zur Erholung der Bestände stark reduziert werden. Schon nach 3 bis 5 Jahren könnten die Quoten unter wissenschaftlicher Begleitung wieder auf ein nachhaltiges Maß angehoben werden.

Die bisherigen politischen Entscheidungen zeigen deutlich, dass den kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen eines kleinen Wirtschaftszweiges mehr Gewicht beigemessen wird, als wissenschaftlichen Erkenntnissen über eine langfristige und nachhaltige Nutzung.

Kernziel 7: Bis 2020 sind alle für die Landwirtschaft, Aquakultur und Forstwirtschaft genutzte Flächen unter Gewährleistung des Schutzes der biologischen Vielfalt nachhaltig bewirtschaftet.

Über zwei Drittel des Bundesgebietes werden land-, forst und fischereiwirtschaftlich genutzt. Vor allem im Bereich der Landwirtschaft ist diese Nutzung die Hauptgefährdungsursache der Biodiversität im Bundesgebiet. Dies ist der interessierten Öffentlichkeit spätestens seit  dem ersten Sondergutachten des SRU zu „Umweltproblemen der Landwirtschaft“ (1985) bekannt. Fast alle damals festgestellten Gefährdungsursachen der Biodiversität wirken auch noch heute. In einer Bilanz nach 30 Jahren zu dem Sondergutachten[11] heißt es: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Situation der Umwelt- und Naturschutzgüter Biodiversität, Landschaftsbild, Boden und Klima seit 1985 tendenziell negativ entwickelt hat. Der Belastungs- und Gefährdungszustand der Schutzgüter Luft und Wasser ebenso wie die Schadstoffbelastung von Lebensmitteln hat sich- auch durch Maßnahmen z. B. der Luftreinhaltung – hingegen günstig entwickelt. In Bezug auf die landwirtschaftlichen Wirkfaktoren lässt sich jedoch festhalten, dass die Landwirtschaft weiterhin maßgeblichen Einfluss auf den Zustand und auf die Situation der Schutzgüter hat und der Anteil der landwirtschaftlichen Belastungen an den Gesamtbelastungen teilweise zugenommen hat.“

Neuere Publikationen (Greenpeace [12], Häusling [13]) bestätigen den dramatischen Artenrückgang und zeigen Handlungsoptionen auf. Eine Trendwende ist jedoch nicht erkennbar.

Auch wenn die Grünen das Thema „Agrarwende“ besetzen, sind auch in Ländern mit grüner Regierungsbeteiligungen nur kleine Schritte in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu erkennen. Bundesweit ist ein dramatischer Rückgang auch einst häufiger Arten zu verzeichnen. Rauchschwalbe, Feldlerche und Star finden sich auf der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Vogelarten.

Das Bundesamt für Naturschutz vermerkt hierzu im Artenschutzbericht 2015 [14]: „Die Ursachen für die teils dramatische Verschlechterung des Zustandes der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft sind vielfältig, stehen aber regelmäßig in engem Zusammenhang mit hochintensiver Landwirtschaft

Zahlreiche Insekten, Käfer, Schmetterlinge, Bienen und Vertreter weiterer Insektengruppen wurden bereits ausgerottet bzw. stehen kurz davor.

Kernziel 8: Bis 2020 ist die Verschmutzung der Umwelt, unter anderem auch durch überschüssige Nährstoffe, wieder auf ein für die ökosystemare Funktion und die biologische Vielfalt unschädliches Niveau gebracht worden.

Seit Jahrzehnten leidet die Natur in Deutschland unter viel zu hohen Nährstoffeinträgen. Spätestens seit einem Symposium der NNA (1989) [15] ist dieses Problem zumindest in Fachkreisen bekannt. So gehen Ökologen davon aus, dass Stickstoffüberschüsse von maximal 30 kg/ha und Jahr für die Umwelt tolerabel sind. In Deutschland liegen die jährlichen Stickstoffüberschüsse seit Jahrzehnten in einem Bereich von 90 bis über 100 kg/ha. Eine Hauptursache ist ein immer intensivere Landwirtschaft. Die hierbei ausgebrachten Nährstoffmengen sind für eine Versorgung der Feldfrüchte nicht mehr erforderlich, sondern sie erfüllen denn Tatbestand der flächendeckenden Sondermüllentsorgung. Millionen von Litern (Gülle) aus industrieller Massentierhaltung werden unter dem Deckmantel der „Guten fachlichen Praxis“ in der Landschaft verschüttet.

Dieses Problem wird nicht nur von Umweltschützern sondern in immer stärkerem Maße auch von den Wasserversorgern [16] thematisiert, da durch diese Form der Landwirtschaft große Bereiche des oberflächennahen Grundwassers so weit belastet werden, dass sie für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung nicht mehr, oder nur noch unter sehr hohen Reinigungskosten zur Verfügung stehen. Eine Gülleverordnung, die zumindest verpflichtendes EU-Recht umsetzt, wird seit Jahren in der Bundesregierung ausgebremst. Gleichzeitig werden Landwirte von den Wasserwerken entschädigt, wenn sie darauf verzichten, Trinkwasservorräte zu verschmutzen.

Kernziel 11: Bis 2020 sind mindestens 17 Prozent der Land- und Binnenwassergebiete und 10 Prozent der Küsten- und Meeresgebiete, insbesondere Gebiete von besonderer Bedeutung für die biologische Vielfalt und für die Ökosystemleistungen, durch effektiv und gerecht gemanagte, ökologisch repräsentative und gut vernetzte Schutzgebietssysteme und andere wirksame gebietsbezogene Erhaltungsmaßnahmen geschützt und in die umgebende (terrestrische/marine) Landschaft integriert.

Dieses Ziel versucht Deutschland zu umgehen, indem mit Entwicklungshilfe großflächige Schutzgebiete dort ausgewiesen werden, wo der Nutzungsdruck gering ist.

Innerhalb Deutschlands sind derzeit ca. 10% der Landfläche als Nationalpark, Biosphärenreservat, Natura2000-Gebiet oder Naturschutzgebiet geschützt. Dieser Schutz bedeutet jedoch nicht, dass hier nur Handlungen zulässig sind, die den Schutzzielen nützen. Die sogenannte Landwirtschaftsklausel im BNatSchG legt pauschal fest, dass die „ordnungsgemäße“ Landwirtschaft den „Zielen des Naturschutzes“ dient. Es gibt jedoch keine Definition der ordnungsgemäßen Landwirtschaft. Daher ist es kaum möglich, in Schutzgebieten eine Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzungsintensität festzulegen. Gülle, Pestizide und Entwässerungen sind in Naturschutzgebieten erlaubt!

Hoch subventionierte Landwirte bekommen zusätzlich Geld, wenn sie darauf verzichten, in Naturschutzgebieten Tiere und Pflanzen zu vergiften.

Es ist längst überfällig, die „Landwirtschaftsklausel“ aus dem BNatSchG zu streichen oder zumindest so zu überarbeiten, dass klar definiert ist, unter welchen Bedingungen die Landwirtschaft die Ziele des BNatSchG unterstützt. Eine subventioniert Landwirtschaft, die Pestizide einsetzt und durch Überdüngung Arten und Lebensgemeinschaften ausrottet sowie die Trinkwasservorräte gefährdet, kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein. Da wir Landwirtschaft und landwirtschaftliche Betriebe brauchen, ist es unabdingbar, die von der Gesamtgesellschaft gezahlten Subventionen zukünftig in nachhaltige Landnutzungsformen umzuwidmen und damit leistungsfähige Ökosysteme als Grundlage des menschlichen Wirtschaftens erhalten.

In einer Broschüre von BMU und BMZ zum Thema „Biologische Vielfalt –unsere gemeinsame Verantwortung – Die deutsche Internationale Zusammenarbeit zur Umsetzung der Biodiversitätskonvention für eine nachhaltige Entwicklung“ [17]. heißt es: „Schutzgebiete können ihre Funktion nicht erfüllen, wenn es sich um »geschützte Inseln« innerhalb einer ansonsten nicht nachhaltig genutzten Landschaft handelt. Aufgrund dieser Erkenntnis unterstützt die Bundesregierung nationale Systeme von Schutzgebieten, beispielsweise in Brasilien, der Demokratischen Republik Kongo oder der Ostkaribik, und fördert in diesem Zusammenhang die Schaffung ökologischer Korridore und grenzüberschreitende Schutzmaßnahmen.“

Hier muss  die Frage erlaubt sein, warum sich die Bundesregierung um weit entfernt liegende Länder kümmert, es aber nicht schafft, diese Erkenntnisse im eigenen Land umzusetzen, wo selbst die „Inseln“ nicht ausreichend geschützt sind?

Kernziel 15: Bis 2020 ist die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme und der Beitrag der biologischen Vielfalt zu den Kohlenstoffvorräten durch Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen, einschließlich der Wiederherstellung von mindestens 15 Prozent der geschädigten Ökosysteme, erhöht und somit ein Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels und zur Anpassung daran sowie zur Bekämpfung der Wüstenbildung geleistet worden.

Die Entwässerung und landwirtschaftliche Nutzung organischer Böden (Moorböden) sowie die Umwandlung von Dauergrünland in Acker setzen in Deutschland über 5 % der jährlichen Emissionen an Treibhausgasen frei [18] und erreicht damit dieselbe Größenordnung an Klimaschädlichkeit wie der Flugverkehr. Dennoch wird die nicht nachhaltige Nutzung dieser naturschutzfachlich wertvollen Gebiete subventioniert.

Besonders widersinnig ist es, wenn auf Moorböden Mais für den Betrieb von Agragasanlagen angebaut wird oder wenn Windparks in Niederungen mit Moorböden gebaut werden, und diese dann im Anschluss aus Gründen der Standsicherheit entwässert werden sollen. Durch die Entwässerung der Moorböden werden dann unter Umständen viel mehr Treibhausgase freigesetzt, als durch die hoch subventionierten technischen Anlagen eingespart werden können. Bei Agrargas aus Mais ist selbst auf normalen Böden die CO2-Bilanz meist negativ.

Kernziel 17: Bis 2015 haben alle Vertragsparteien wirksame, partizipative und aktualisierte nationale Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne ausgearbeitet und als Politikinstrument verabschiedet und mit ihrer Umsetzung begonnen.

Deutschland hat bereits 2007 eine nationale Biodiversitätsstrategie vorgelegt [19], die inhaltlich aber leider die 2010 beschlossenen Aichi-Ziele noch nicht berücksichtigt. Hier ist eine Aktualisierung dringend erforderlich .

Auch in der oben angesprochenen Broschüre von BMU und BMZ drängt sich der Eindruck auf, dass die weltweit geltenden Aichi-Ziele am besten weit weg von Deutschland in anderen Ländern umgesetzt werden sollten. Musterprojekte in fernen Ländern entbinden Deutschland nicht davon, sich innerhalb der eigenen Grenzen seiner Verantwortung stellt. Da der Rückgang der Artenvielfalt global, regional und lokal erfolgt, sind entsprechende Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität auch auf allen drei Maßstabsebenen erforderlich.

Auch die Umsetzung der Aichi-Ziele sieht kaum besser aus. Die Eingriffsregelung im BNatSchG vermittelt den Eindruck, dass die Hauptgefährdung von Natur und Landschaft, der Biotope und der Artenvielfalt durch „Eingriffe“ bewirkt wird. Diese müssen daher ausgeglichen werden. Eingriffe finden jedoch jährlich nur auf weniger als 1% der Bundesfläche statt und können daher nicht allein für den rasanten Rückgang der Artenvielfalt verantwortlich sein.

BfN, UBA sowie viele wissenschaftliche Publikationen sind sich darin einig, dass eine der Hauptgefährdungsursachen in Deutschland und weltweit in einer kaum regulierten, zu intensiven Landbewirtschaftung  mit überhöhtem Düngeeinsatz sowie dem Einsatz hochgiftiger Pestizide zu suchen ist.

In der gesamten EU ist die  Umwelt- und Agrarpolitik desaströs gescheitert. Sofern nicht ein sofortiger Umschwung auf dem überwiegenden Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche stattfindet, werden nicht nur die oberflächennahen Trinkwasservorräte für lange Zeit verunreinigt werden sondern auch viele Arten und Lebensräume für immer aus der Landschaft verschwinden.

Im Zusammenhang mit der Erreichung der Aichi-Ziele müssten folgende Maßnahmen in Deutschland kurzfristig umgesetzt werden:

  • Kurzfristige Reform der Agrar- und Naturschutzfinanzierung anhand von Nachhaltigkeitskriterien auf EU-Ebene
  • Bereitstellung eines eigenen Finanzierungsinstrumentes für Natur- und Umweltschutzprojekte
  • Abbau von jährlich 20% der vom UBA als umweltschädlich deklarierten Subventionen – Umwidmung der Mittel für die Förderung nachhaltiger und umweltschonender Prozesse
  • Sofortiges Verbot des Einsatzes von Pestiziden und Herbiziden aller Art in Naturschutzgebieten (NP, NSG, Biosphärenreservate, Natura 2000-Gebiete) und Trinkwasserschutz- und -schongebieten sowie in Überschwemmungsräumen (HQ100-Kulisse)[20].
  • Einführung einer Abgabe auf Pestizide, mit den Einnahmen aus der Abgabe soll Beratung für pestizidfreie Landwirtschaft intensiviert und die Umstellung auf Ökolandbau unterstützt werden.
  • Koppelung der Tierzahl an die Betriebsfläche, anzustreben ist ein Maß von <2 GV/ha, bei höheren Viehbeständen Kürzung der Subventionen und der Direktzahlungen
  • Einführung einer Abgabe auf importierte Futtermittel für die Tierhaltung
  • Keine steuerliche Absetzbarkeit für zugekaufte Düngemittel, wenn hierdurch eine höhere Umweltbelastung entsteht, als bei einer entsprechenden Tierhaltung von 2GV/ha bewirtschafteter Fläche
  • Verpflichtende Berücksichtigung der Biodiversität und der Aichi-Ziele als Querschnittsthema in den Lehrplänen von der Grundschule über die Sekundarstufe bis in die Berufsschulen und Universitäten
  • Weitestgehende Aufgabe der Entwässerung organischer Böden zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen sowie zur Förderung der Biodiversität
  • Einführung einer Versicherungspflicht für die Folgen umweltschädlicher Produktion
  • Streichung der „Landwirtschaftsklausel“ aus dem BNatSchG
  • Aufnahme der Richtlinien des ökologischen Landbaus in die Grundsätze der Guten Fachlichen Praxis
  • Konkretisierung der TEEB-Studie für Deutschland und Einbeziehung der Umweltschäden für alle Bereiche in die Ermittlung des Bruttosozialproduktes
  • Mittelfristig: Flächendeckendes Verbot des Einsatzes von Pestiziden; Ausnahmen nur in besonders begründeten Fällen und mit Genehmigung der zuständigen Behörden sowie unter Begleitung durch einen ausgebildeten Toxikologen
  • Einhaltung eines Abstandes von 25 m zu Gewässern bei der Ausbringung von Düngemitteln
  • Einführung eines Melde- und Kontrollsystems für Düngemittel nach dem Beispiel Dänemarks, welches auch für Pestizide anzuwenden ist
  • Strikte Kontrolle des Transports von Gülle
  • Konsequente Berücksichtigung des Verursacherprinzips bei den Kosten für die Aufbereitung des Trinkwassers
  • Bessere personelle Ausstattung der zuständigen Behörden für Überwachung und Kontrolle der Einhaltung von Umweltstandards

…………

[1]   https://www.cbd.int/decision/cop/?id=7200

[2]  http://www.bfn.de/0304_2010ziel.html

[3]  Inwertsetzung von Biodiversität – Technikfolgeabschätzung

[4]   http://www.ufz.de/index.php?de=36069

[5]  https://www.umweltdaten.landsh.de/moore/moorresolution.pdf

[6]  Empfehlungen des UBA – Schätzung der Umweltkosten

[7]   https://vdew-archiv.bdew.de/internet.nsf/id/20170119-pi-nitratverschmutzung-ohne-wirksame-gegenmassnahmen-drohen-regional-stark-steigende-wasse

[8]   170113_BDEW_Gutachten_Nitrat_final.pdf

[9]   https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltschaedliche-subventionen-in-deutschland-2016

[10]  http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-10/fischerei-fangquoten-eu-dorsche

[11]  https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_28_2015_umweltprobleme_der_landwirtschaft.pdf

[12]  https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20170105_studie_agrarwende2050_lf.pdf

[13]  http://www.martin-haeusling.eu/images/attachments/GAP_WebundMail_end.pdf

[14]  BfN-Artenschutzreport 2015

[15]    http://www.nna.niedersachsen.de/download/101736/B89-1_Eutrophierung_-_das_gravierendste_Problem_im_Naturschutz_.pdf

[16]    http://www.vku.de/wasser/umwelt/trinkwasser/bestnote-fuer-kommunale-wasserwirtschaft-nachsitzen-fuer-landwirtschaft.html

[17]  https://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/themen_und_schwerpunkte/umwelt/Biodiversitaet-unsere-gemeinsame-Verantwortung.pdf

[18]  https://www.umweltdaten.landsh.de/moorresolution.pdf

[19]  http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/landwirtschaft/nationale_strategie.pdf

[20] Umweltbundesamt: 5-punkte-programm_fuer_nachhaltigen_pflanzenschutz_1.pdf

Über Siby BAG

schon immer Öko, Grünes Mitglied seit 1984, sonst unter www.sibyllecentgraf.de zu gange
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